HOF-BIENNALE 02
Die Präsenz von Frauen als selbstbestimmte Akteurinnen in der Kunst ist nicht selbstverständlich und musste hart erkämpft werden.
Für den zeitgenössischen Kunstbetrieb ist festzustellen, dass Frauen schon lange nicht mehr die Ausnahme, sondern unverzichtbare Mitwirkende mit höchst eigenständigen Beiträgen sind. Ziel dieser Ausstellung ist es, die geballte Energie sowie die spezifischen Ausprägungen der femininen Kreativität an ausgewählten Beispielen sichtbar zu machen und der `Kraft der Weiblichkeit´ Raum zu geben.
Eröffnung am Mittwoch, 24. September 2014 um 19.30 Uhr
Steiermarkhof, Krottendorferstraße 81, 8052 Graz
Zur Eröffnung sprechen:
Ing. Johann Baumgartner, MAS [Kulturreferent]
Ök.-Rat Franz Titschenbacher [Präsident der Landwirtschaftskammer]
Johann Seitinger [Landesrat]
Dr.in Edith Risse [Kunsthistorikerin]
Mag. Siegfried Nagl [Bürgermeister der Stadt Graz]
Musik/Internationale Performance zur weiblichen Energie
Finissage am Donnerstag, 30. Oktober 2014 um 19.30 Uhr
Zur Finissage sprechen:
Ing. Johann Baumgartner, MAS [Kulturreferent]
Dr.in Edith Risse [Kunsthistorikerin]
Präsentation der Dokumentation
„Energie – die Kraft der Weiblichkeit“
Die Ausstellung ist in der Hofgalerie von Do. 25. September bis Do. 30. Oktober 2014 täglich von 7.30 bis 19.30 Uhr zu besichtigen.
Sonntags und feiertags auf Anfrage.
zur Fotogalerie des Steiermarkhofs
Eröffnungrede Dr.in Edith Risse “Energie – Die Kraft der Weiblichkeit“
Frauen in der bildenden Kunst
Die Leistungen von Frauen in der Kunst, ihr Beitrag zur männlich dominierten Kunstgeschichte wird gering geschätzt, manchmal sogar schlichtweg negiert. Frauen hatten als Musen oder aber als Aktmodelle zu fungieren, die andere Menschen, vornehmlich männliche Künstler, zu kreativen Leistungen anspornten oder inspirierten. Insbesondere in der bildenden Kunst hatten Frauen nur die Rolle des Materials von und für Männerfantasien inne.
In unterschiedlichen Gesellschaften und Zeiten ist belegt, dass Frauen künstlerische Fähigkeiten ganz abgesprochen wurden oder ihre künstlerische Betätigung behindert oder verhindert wurde. Das gilt auch noch für manche Kollegen im 20. Jahrhundert, als Salvatore Dali der Meinung war, dass Frauen zum Malen kein Talent hätten und sich auch noch Georg Baselitz voller Herablassung über die Fähigkeiten von Malerinnen äußerte.
Deshalb sei in kurzer Exkurs in die Kunstgeschichte gestattet.
Die Renaissance ist die erste Epoche der europäischen Kunstgeschichtsschreibung, in der eine Reihe von Künstlerinnen (als Töchter von Malern) europaweit Reputation erlangte. So galt Sofonisba Anguissola (1532-1625) mit ihren ausdrucksstarken Portraits und humoristischen Familienbildern als erfolgreichste Künstlerin der italienischen Renaissance. Sie wurde von großen Meistern wie Michelangelo Buonarroti und Giorgio Vasari anerkannt und an den spanischen Hof berufen, auch Peter Paul Rubens kopierte sie mehrfach. Lavinia Fontana (1552-1614) emanzipierte sich sogar in zweifacher Weise: Zum einen war die erfolgreiche Malerin dank ihrer begehrten Portraits und Historienbilder die Haupternährerin ihrer immerhin dreizehnköpfigen Familie, zum anderen malte sie als erste Künstlerin überhaupt weibliche Akte. Eine weitere herausragende Frau war, eine Generation später und schon im Barock, Artemisia Gentileschi (1593-1653), die den Mut und die Begabung zu einer kompromisslosen Kunst hatte. Außergewöhnlich an ihr war, dass sie sich nicht auf die damaligen frauentypischen Sujets beschränkte, sondern auch großformatige Historienbilder sowie mythologische und biblische Themen in leuchtender Farbgebung und dramatischer Lichtführung malte. In ihrer Zeit berühmt, geriet sie nach ihrem Tod in Vergessenheit. Erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde man wieder auf sie aufmerksam. In jener Zeit also, in der Frauen selbst intensiver und gezielter über Künstlerinnen zu forschen begannen.
In der flämischen und der niederländischen Malerei gab es ebenfalls einige erwähnenswerte Frauen. Catharina van Hemessen (1528-1587) ist die erste flämische Malerin, deren Werk noch heute bekannt ist. Ihr vom Umfang her bescheidenes Œuvre nimmt einen bedeutenden Platz in der Kunst des 16. Jahrhunderts ein. Sie war von ihrer Kunst sehr überzeugt, bereits 1548 (mit 20 Jahren) signierte sie ein Selbstportrait mit dem Zusatz: „Ich, Catharina van Hemessen, werde der Nachwelt in Erinnerung bleiben.“
Die Porträts fröhlicher Musikanten und Komödianten von Judith Leyster (1609–1660), die nach Einschätzung von Zeitgenossen „ein wirklicher Leitstern in der Kunst“ war, wurden lange Zeit für Werke von Frans Hals gehalten. Erst als man 1893 im Louvre unter der gefälschten Signatur des Frans Hals die ursprüngliche von Judith Leyster erkannte, wurde sie als Malerin wiederentdeckt.
Im 18. Jahrhundert wirkte Angelika Kauffmann (1741-1807), wie viele ihrer Kolleginnen Tochter eines Malers. Schon sehr früh wurde sie berühmt und bekam Portrait-Aufträge. Zu Angelika Kauffmanns Modellen gehörte unter anderem Goethe. Portraitieren war die Domäne der Künstlerinnen. Von ihnen wurde erwartet, sich auf „harmlose“ Sujets zu beschränken.
Genau hundert Jahre nach ihr lebte und malte Berthe Morisot (1841-1895). Sie gehörte mit Claude Monet, Édouard Manet, Paul Signac, Pierre-Auguste Renoir, Edgar Degas und Paul Cézanne zum inneren Kreis der Impressionisten, bei diesen heute berühmten Künstlerkollegen galt sie als künstlerisch ebenbürtig. Dennoch ist sie weit weniger bekannt.
Unterschätzt wurden (und werden) auch Gabriele Münter (1877-1962) die primär als Lebensgefährtin Wassili Kandinskys und nicht für ihre eigenen Bilder bekannt geworden ist, obwohl sie Mitglied der Neuen Künstlervereinigung München war, und Paula Modersohn-Becker (1876-1907), die eine völlig eigenständige Bildsprache entwickelte, in die Elemente des Expressionismus, Fauvismus und Kubismus ebenso involviert sind wie Bezüge zur Kunst vergangener Epochen.
Eine Ausnahme war in der allgemeinen Wertschätzung des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts die sozialkritische Grafikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz (1867–1945), sie wurde 1919 als erste Frau Mitglied der Preußischen Akademie der Künste.
Viele hochtalentierte künstlerisch tätige Frauen standen auch im 20. Jahrhundert immer noch im Schatten von Männern. Marianne von Werefkin (1860–1938), eine russische Malerin und Vertreterin des Expressionismus, förderte ihren Lebensgefährten Alexej von Jawlensky. Der Lebensweg der französischen Bildhauerin Camille Claudel ist geprägt von ihrem verzweifelten Streben nach Unabhängigkeit von ihrem Lebensgefährten Auguste Rodin, und Frida Kahlo (1907–1954), die mit Abstand bekannteste Malerin Mexikos, behauptete unter ungünstigen Bedingungen an der Seite Diego Riveras ihre künstlerische Selbständigkeit.
Zu einer Wende kam es erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Künstlerinnen wie Lee Krasner, eine der wichtigsten Vertreterinnen des Abstrakten Expressionismus in New York, die französische Bildhauerin Louise Bourgeois oder Meret Oppenheim große Bedeutung erlangten und die Vorherrschaft ihrer männlichen Kollegen unterminierten. Sie waren Wegbereiterinnen für Niki de Saint Phalle, Rebecca Horn, Barbara Kruger, Marina Abramović, Isa Genzken, Jenny Holzer, Cindy Sherman, Pipilotti Rist, Maria Lassnig oder Rosemarie Trockel, die in Bezug auf Marktwert und künstlerischem Rang zu ihren männlichen Kollegen längst aufgeschlossen haben. Die Kraft der Weiblichkeit, die weibliche Energie hat sich schlussendlich auch in der bildenden Kunst durchgesetzt.
Die Hofbiennale im Steiermarkhof will die gegenwärtige Situation in der Steiermark beleuchten und zeigt 34 äußerst unterschiedliche Positionen, die in dieser Kompilation noch nie präsentiert worden sind. Sie steht für die große Bandbreite an Stilen und Richtungen, die weibliche Repräsentantinnen unterschiedlicher Generationen in der heimischen Kunstszene abdecken. „Energie – Die Kraft der Weiblichkeit“ intendiert keinen Überblick über die „wichtigsten“ Künstlerinnen der Steiermark und die vorherrschenden Tendenzen und Strömungen – sie will starke Künstlerinnen-Persönlichkeiten in den Vordergrund stellen, welche die heimische Kunstlandschaft in der Vergangenheit und in der Gegenwart bewegt und geprägt haben, und deren Stimmen in Verbindung mit ihrem herausragenden künstlerischen Schaffen auch in der Zukunft Gewicht haben werden.
Wenn sie sich, jenseits aller Vorurteile, unter einander stärker vernetzen könnten und wollten, könnten sie die Präsenz weiblicher Anteile in Kunst und Kultur in der Steiermark entscheidend erhöhen. Vielleicht wäre das ein gemeinsames Ziel dieser Hofbiennale?